Thomas Stricker dreht die Welt herum. «handcherom/on the other hand» ist Austausch, soziale Plastik, Arbeits- und Mitteltransfer jenseits des üblichen Nord-Süd-Gebahrens.
Die Erde ist rund. Erinnern Sie sich noch, wie unvorstellbar Ihnen diese Tatsache als Kind erschien? Dort, wo wir uns selbst befanden, war selbstverständlich oben. Aber wie erging des den Anderen? Denen, die aus Kindersicht auf der Unterseite der Weltkugel lebten. Fielen sie nicht herunter? Oder liefen sie gar auf dem Kopf? Inzwischen wissen wir um die Grösse der Kugel und um die Erdanziehungskraft, und doch reden wir mitunter noch von «oben» und «unten», wenn wir die Welt meinen.
Thomas Stricker bringt dieses Denken in Bewegung und bewegt sich selbst: heraus aus dem Atelier, hinein in die Welt, auf andere Kontinente, in andere Lebensrealitäten. Bereits 2001 verknüpfte er seinen Arbeitsort Düsseldorf und die Gemeinde Kivaa in Kenia durch ein zweiteiliges Brunnenprojekt. Die neue Einfassung einer Quelle in Düsseldorf verband er mit einer imaginären Wasserleitung durch den Erdball zu einem eigens gebohrten Brunnen in Kenia – dort wo ein Brunnen dringend nötig war. Der Künstler hatte die Geldflüsse neu gelenkt und damit ein Mehr, ein Glücklicher und ein Gerechter erreicht.
Die Kulturlandsgemeinde 2017 bietet mit ihrem Motto «grösser, glücklicher, gerechter» den idealen Anlass für Thomas Stricker, erneut ein Werk in Europa mit einer Arbeit auf dem afrikanischen Kontinent zu verbinden: mit dem Gartenprojekt an der Primarschule Kalkfeld in Namibia. Ein Arbeitsaufenthalt hatte den Künstler 2007 in das Land geführt. 20 Kilometer entfernt von der Etaneno-Farm stiess er auf die Schule im Township Kalkfeld. Sie war vom Namibischen Schulministerium angewiesen worden, neben dem üblichen Lehrplan auch Agrikultur zu unterrichten. Doch es fehlte an Vorwissen, an Mitteln, an praktischer Gartenerfahrung, an Initiativen. Thomas Stricker nahm die Schaufel in die Hand. Gemeinsam legten Künstler, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler Beete an, gruben um, bauten Dämme, zogen Wassergräben und errichteten ein Sonnendach. Der Schulgarten war auf den Weg gebracht.
Einen Garten neu anzulegen und zu bestellen ist kein einfaches Unterfangen, erst recht nicht auf diesem dürren Flecken Erde. Doch es gelingt, wenn viele Hände mitwirken und der Welt einen neuen Dreh geben. Seither reist Thomas Stricker alle zwei bis drei Jahre nach Kalkfeld, pflanzt und motiviert, giesst und repariert und arbeitet ein Stück weiter an dieser grossen sozialen Plastik.
Für die Schülerinnen und Schüler steht die Kunst nicht im Vordergrund, ihnen bietet der Garten Arbeit, Früchte und nützliche Erfahrungen. Uns bietet er die Möglichkeit, die eigenen Erfahrungen auf den Kopf zu stellen, sich mit dem Nord-Süd-Gefälle und globaler Verantwortung auseinandersetzen. Thomas Stricker findet dafür prägnante Bilder. Unter dem Schriftzug am Eingang des Sportzentrum Herisau steht die Beschriftung «Primary School Kalkfeld» Kopf. Die ausgestellten Fotografien wechseln die Perspektive. Mal sind die Appenzeller Motive auf den Kopf gestellt, mal diejenigen aus dem namibischen Kalkfeld. So oder so: die Verwandtschaften sind offensichtlich. Gemeinsame Arbeit, Traditionen und ein bewusster Umgang mit den Ressourcen stärken das Miteinander. Die Gäste der Kulturlandsgemeinde können selbst Teil dieses nachhaltigen Gartenprojektes werden, wenn sie in Strickers «handcherom»-Werkstatt im Eingangsbereich des Sportzentrums unterschiedliche Pflanzen und Obstgehölze mit «handcherom-Etikett» zum Selbstkostenpreis erwerben und im eigenen Garten einpflanzen. Auch ein zusätzlicher Betrag ist willkommen, denn unter den schwierigen klimatischen und infrastrukturellen Bedingungen strauchelt der namibische Obstgarten. Vier grosse Orangenbäume sind eingegangen, neue kräftige Bäume stehen auf der Wunschliste. Hochbeete müssen neu befüllt und Schattenbäume gepflanzt werden, Zäune und Schattendach sind reparaturbedürftig. Die Kulturlandsgemeinde wird in dieser Situation zur Schwester des Schulgartens. Dank ihr bleibt «fairer, globaler, grosszügiger» nicht nur eine Forderung, sondern wird Tatsache und die ausserrhodischen Gärten werden Teil des grossen Weltgartens der sich einmal täglich um sich selber dreht.