Der Bildhauer Thomas Stricker setzt sich immer wieder mit Fragstellungen zu öffentlichem Raum und Landschaft auseinander. Seine Projekte gehen dabei weit über das traditionelle Skulpturenverständnis hinaus.
„108 skulpturale Fragen“ nennt der aus St.Gallen stammende und in Düsseldorf lebende Künstler sein Langzeitprojekt, in dem er bestrebt ist, die Möglichkeiten zeitgenössischer Skulptur auszuloten und mit Konzeptkunst, sozialer Plastik und Landschaftsarchitektur zu verbinden. Die einzelnen Arbeiten sind der Versuch, Antworten auf eine jeweils spezifische Frage zum gegenwärtigen Skulpturenbegriff zu finden. Die Natur in ihren vielfältigen Variationen ist ständig wiederkehrendes Thema seiner Projekte, die unter Verwendung unterschiedlicher Medien – Fotografie, Text, Video, Internet – entstehen. In seinen skulpturalen Werken gilt Strickers Vorliebe amorph–organisch geformten Objekten, die in aufwändigen Gussverfahren hergestellt werden. Sie scheinen direkt der Natur entsprungen zu sein, mehr der Sphäre des Geologischen oder Gewachsenen als des künstlich Gestalteten zugehörig.
skulpturale Frage 22/108 – „Blüht es oder blüht es nicht?“
Strickers Projekte im öffentlichen Raum sind Resultat eines sorgfältigen Umgangs mit der spezifischen Situation und der Geschichte des Ortes. Für die Skulptur Biennale Münsterland 2003 entwickelt der Künstler die Idee eines riesigen Kreuzes aus gelb blühenden Rapspflanzen inmitten der Felder der Ortschaft. Die Kreuzform bezieht sich auf die Legende des in der örtlichen Wallfahrtskirche verehrten Stromberger Kreuzes, das im Lauf der Geschichte mehrere Male entwendet, immer aber wieder aufgefunden werden konnte.
Man könnte das weithin sichtbare Kreuz für ein klassisches Land-Art-Projekt halten, wäre nicht der langwierige soziale Prozess der Entstehung zentraler Teil der Arbeit gewesen. In geduldiger Überzeugungsarbeit gelang es Stricker die Idee der Auflockerung und Überschreitung von Grenzen – die Arme des Kreuzes erstrecken sich über die Parzellen vier ansässiger Bauern – zu transportieren und schlussendlich eine breite Zustimmung aller Beteiligten zu erreichen. In dem Prozess war aber immer auch die Möglichkeit des Scheiterns gegeben. Dann wäre nicht das temporär blühende Rapskreuz das Ergebnis der sozialen Plastik, sondern ein filmisches Projekt als Dokument der erfolglosen Diskussion.
skulpturale Frage 15/108 – „Das Land fliesst wirklich“
Dass Kunst im öffentlichen Raum durchaus auch gesellschaftspolitische Fragestellungen transportieren kann beweist Stricker mit seinem poetischen Projekt für das Kanal- und Wasserbauamt sowie der AWISTA in Düsseldorf. Die Projektidee sieht einen zweigeteilten Brunnen vor, der durch eine symbolisch-gedankliche Leitung quer durch den Erdball verbunden ist: In Düsseldorf errichtet er am Eingang des Betriebsgeländes eine Brunnenstube, die jedoch kein Wasser spendet. Dieses fliesst statt dessen auf der anderen Seite der Welt: In der Gemeinde Kivaa in Kenia wurde mit dem Kunstbudget unter Beteiligung der lokalen Bevölkerung ein Brunnen gebohrt, der heute 160 Familien mit frischem Wasser versorgt. Stricker selbst konnte bei der Realisierung der Arbeit nicht vor Ort sein, zu gering war das Budget, das möglichst zur Gänze dem Projekt zu Gute kommen sollte. Er hat, wie er erklärt, „eigentlich nur die Geldflüsse umgeleitet.“
Vor kurzem hat Stricker für sein Projekt „permanent lightning“ den Sparda-Kunstpreis NRW 2009 der Sparda-Bank West erhalten: Der zwölf Meter hohe Blitz aus Edelstahl, der im nächsten Jahr realisiert werden soll trägt den Untertitel „skulpturale Frage „38/108“. Man darf auf die kommenden Fragestellungen gespannt sein.